Michaël Lévinas

*  18. April 1949

von Lukas Haselböck

Essay

Die frühen Werke von Lévinas waren durch Anregungen seines Kompositionslehrers Olivier Messiaen (Lévinas 2002t, Lévinas 2008), von Karlheinz Stockhausen (Lévinas 1993c; vgl. auch Cazaban 1991, 173) und Pierre Boulez (Lévinas 2002r) sowie durch die Groupe de Recherches Musicales maßgeblich beeinflusst. Das Interesse für die strukturellen und kognitionspsychologischen Potenziale des Klanges und der Klangfarbe, das bereits bei Messiaen, Stockhausen und Boulez nicht zu übersehen war, wurde nun bei Lévinas und auch bei Hugues Dufourt, Gérard Grisey, Tristan Murail und Roger Tessier zum primären Bezugspunkt eines musikalischen Denkens, das man unter dem Stichwort „musique spectrale“ [Spektralmusik] subsumierte.

Zugleich eröffnete sich ein Spannungsfeld, das durch die Standpunkte der älteren Generation und den perceptional turn der 60er- und 70er-Jahre markiert war. Während Stockhausen versucht hatte, durch eine neue Strukturierung des Klanglichen eine neue Syntax zu schaffen, betrachteten die Komponisten der Musique spectrale dieses Vorhaben kritisch. Gleichwohl faszinierte sie das ­Œuvre Stockhausens, der – so Lévinas – imstande gewesen sei, durch die Erschließung neuer Technologien das „Musikalisch-Übernatürliche“ zu enthüllen (Lévinas 1993c, 241: „Stockhausen war der einzige gewesen, der das Musikalisch-Übernatürliche durch das Erforschen neuer Technologien enthüllt hatte.“). Konzipiere man, so Lévinas, die Musik losgelöst von anthropologischen ...